Kein Recht auf Einsicht in die Behandlungsunterlagen eines Verstorbenen aufgrund einer Vorsorgevollmacht

Der Fall

Nach dem Tod ihrer Tochter möchte die Mutter die Behandlungsunterlagen der Tochter einsehen. Sie beruft sich dabei auf ihre Erbenstellung und ihre über den Tod hinaus reichende Vorsorgevollmacht. Die Ärzte geben nur ausgewählte Teile der Akte heraus und lehnen die Einsicht im Übrigen ab. Hiergegen geht die Mutter vor.

Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe, Urt. v. 14.8.2019 (7 U 238/18), entschied, dass das Einsichtsrecht nach der gesetzlichen Regelung ausgeschlossen sei, soweit der Einsichtnahme der ausdrückliche oder mutmaßliche Wille des Patienten entgegenstehe. Letzteres sei hier anzunehmen. Denn die verstorbene Tochter habe besonderen Wert daraufgelegt, dass Gesprächsnotizen der Sitzungen, deren Gegenstand die Beziehung der Patientin zu ihrer Familie und namentlich zur Mutter waren, absolut vertraulich behandelt würden.

Sie habe stets zu erkennen gegeben, dass diese Inhalte keineswegs der Mutter jemals zur Kenntnis gelangen dürften. Eine solche Erklärung stehe dem Begehren der Mutter, Einsicht in die gesamte Behandlungsakte zu nehmen, um gerade diese Fragen für sich zu klären, entgegen. Wegen anderer Inhalte der Behandlungsakte habe der Arzt die Einsicht nicht verweigert.

Ein solcher Patientenwille ist für Ärzte, nahe Angehörige und die Gerichte bindend. Dabei steht dem Arzt bei der Prüfung des Patientenwillens ein Ermessen zu, das nur begrenzt gerichtlich überprüfbar ist.

Die so anzunehmende Verweigerung der Entbindung von der Verschwiegenheitsverpflichtung ist nicht durch die Erklärungen sowohl in der Vorsorgevollmacht als auch in der Patientenverfügung über die Schweigepflichtentbindung und das Recht auf Einsicht in die Behandlungsunterlagen überlagert. Dies gelte, obwohl die Tochter der Mutter dort das Recht eingeräumt hat, Krankenunterlagen einzusehen, die behandelnden Ärzte gleichzeitig von der Schweigepflicht entbunden hat und die Vollmacht über den Tod hinauswirkt. Denn der nach Erstellung der Vollmacht und der Patientenverfügung erklärte Wille, keine Gesprächsinterhalte betreffend familiäre Beziehungen bekannt zu geben, ist nicht von der Vollmacht umfasst. Wenn die Tochter ihren Arzt, wie aus dem zitierten Schreiben ersichtlich, ausdrücklich darum gebeten hat, Gesprächsinhalte betreffend die familiären Beziehungen nicht zu offenbaren, spricht dies dafür, dass sie die Therapie nicht in der gebotenen Weise wahrgenommen hätte, wenn sie gewusst hätte, dass dem Willen nicht entsprochen wird.

Ihre Maria Mühle

Fachanwältin für Familienrecht

Fachanwältin für Erbrecht

Zertifizierter Verfahrensbeistand