In einer aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofs (26.11.2022, VI ZR 344/21) hat sich dieser mit der Problematik beschäftigt, ob die Vorfahrtsregeln des fließenden Verkehrs auch auf Parkplätzen gelten. Dass hier viel Unsicherheit im allgemeinen Straßenverkehr herrscht, sieht man immer wieder auf größeren Parkplätzen, wie z.B. dem Parkplatz des Riesa-Parks. Grundsätzlich ist hierbei zu beachten, dass es sich bei Parkplätzen nicht um Verkehrsflächen des fließenden Verkehrs handelt, sondern um sogenannten ruhenden Verkehr. Diese Unterscheidung ist für die Anwendung der Regeln für den Straßenverkehr (StVO) von entscheidender Bedeutung. Insoweit gibt es Regeln, die für beide Bereiche gelten und Regeln, die nur für den fließenden Verkehr gelten. Die Relevanz der Unterscheidung erkennt man insbesondere an § 10 StVO, wo der Gesetzgeber geregelt hat, dass, soweit ein Verkehrsteilnehmer vom ruhenden Verkehr (Ausfahren aus einem Grundstück, Fußgängerzone usw.) in den fließenden Verkehr (Straße) einfährt, er die Gefährdung jeglicher anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen hat. Hierbei handelt es sich um die größtmögliche Sorgfaltspflichtanforderung, die die StVO kennt. Bei Unfällen, die bei einer solchen Sachlage entstehen, gilt grundsätzlich der Anscheinsbeweis, dass der Fahrer, der vom ruhenden Verkehr kommt, eben dieser Sorgfaltspflichtanforderung nicht nachgekommen ist. Meist haftet er und seine Kfz-Haftpflichtversicherung dann zu 100 %.
Im entschiedenen Fall befuhr der Kläger mit seinem Pkw mit ca. 10 bis 15 km/h eine Fahrgasse
zwischen den Parkflächen eines Baumarktparkplatzes. Dort stieß er mit einem aus einer kreu-
zenden Fahrspur von links kommenden Pkw des Beklagten zusammen. Die Sicht beider Unfall-
beteiligten wurde durch einen Lkw behindert, der in dem Bereich der sich kreuzenden Fahrspu-
ren rechts vor dem Beklagten parkte. Vor dem Zusammenstoß überholte der Beklagte den Lkw
mit ca. 25 km/h.
Zunächst stellt der BGH fest, dass die Regeln der StVO grundsätzlich auf einem – hier vorliegenden – öffentlich zugänglichen Parkplatz anwendbar sind. Insbesondere ist das Gebot der wechselseitigen Rücksichtnahme nach § 1 StVO zu beachten.
Weiter entschied der Bundesgerichtshof nunmehr erstmalig, dass § 8 Absatz 1 S. 1 StVO (Vorfahrt) grundsätzlich auf öffentlichen Parkplätzen weder unmittelbar noch mittelbar über § 1 StVO (gegenseitige Vorsicht und Rücksichtnahme) gilt.
D. h. in diesen Bereichen haben sich die Verkehrsteilnehmer entsprechend § 1 StVO immer zu verständigen, wer wann fahren soll und es besteht die Pflicht jedes Verkehrsteilnehmers, eine Gefährdung des anderen zu vermeiden, d. h. beispielsweise den anderen Verkehrsteilnehmer passieren zu lassen.
Weiter entschied der Bundesgerichtshof, dass etwas anderes nur dann gilt, wenn die Fahrspuren „erkennbar“ für Verkehrsteilnehmer vor allem der Zu- und Abfahrt und damit dem fließenden Verkehr dienen.
Dies ist wiederum gerade am Beispiel des Parkplatzes des Riesa-Parks interessant, da es ja dort eine zentrale Zufahrt gibt. Diese ist in weiten Bereichen auch baulich von den Parkplätzen abgetrennt, weswegen es dort naheliegend ist, dass es sich dabei um eine für den Verkehrsteilnehmer erkennbare Zu- und Abfahrt handelt.
Sollten Sie bei entsprechenden Verkehrssituationen einen Unfall und hierdurch einen Schaden erlitten haben, steht Ihnen die Anwaltskanzlei Haupt gern zur Beratung und Durchsetzung der Schadensersatzansprüche zur Verfügung.
Robert Thees
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verkehrsrecht
ADAC Vertragsanwalt